... IN DER STADT

Von Teilen der Stadtkirche und der Stadtmauer abgesehen hat nichts von der mittelalterlichen Bebauung die Zeit überdauert. So lässt sich die Frage nach dem damaligen Hausbau und dessen Umfeld in Bayreuth nur indirekt, über die Befunde der beiden Stadtgrabungen, beantworten. Für das Areal der "alten Lateinschule" lässt sich ein Pfostenbau der wohl im ersten Drittel des 13. Jh. errichtet wurde und bis Ende des Jahrhunderts bestand hatte, nachweisen.

Etwa um 1300 lösen auf diesem Areal Ständerbauten die älteren Pfostenbauten ab. Es sind mehrere Ständerbauten nachweisbar. Einer ruhte auf Fundamentbalken, zwei auf Fundamenten aus unvermörtelten Unterlegsteinen. Diese beiden Gebäude haben wohl bis vor 1400 bzw. ca. 1430 gestanden. Ein weiteres Gebäude läst sich nur indirekt über Brandschutt nachweisen. Für beide Haustypen sind die Gefache der Wände in Bohlen- oder Flechtwerk/Lehmbauweise wahrscheinlich.

Für die Zeit nach dem Stadtbrand von 1430 lassen sich hier die starken Sandsteinmauern von zwei Gebäuden nachweisen, die auf gemauerte Bruchsteinfundamenten aufbauen. Neben diesen Gebäuden, bei denen das Erdgeschoß, mindestens aber dessen Sockel, gemauert war entstanden auch wieder mehrere Ständerbauten (1). Für das Grabungsareal "ehemalige Schmiedgasse" sind "nur" die Reste mehrere Sandsteinmauern aus dem 13. und 14. Jahrhundert nachgewiesen deren Zusammenhang ungeklärt bleiben muss.

Allerdings zeigen hier zwei Flachglasfragmente aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, wohl aus einer rautenförmigen Formscheibe oder einem Zwickel (Dreiecke zwischen den runden Butzen), den Einsatz verglaster Fenster in den Gebäuden die hier gestanden haben (2).

In beiden Arealen lassen sich überdies noch Dachziegel von Typ Mönch-Nonne nachweisen. Ein vor allem im 13. und 14. Jahrhundert verwendeter Ziegel (3), wohl aber nicht die einzige Art der Dachdeckung in diese Zeit. Daneben dürften auch in Bayreuth mit Stroh oder (Holz)Schindeln gedeckte Dächer zu finden gewesen sein...

Das Areal "alte Lateinschule" beherbergt auch die älteste bis dato für das mittelalterliche Bayreuth nachgewiesene Bebauung, einen sog. Bohlenweg, der um 1200 angelegt und bis ins erste Drittel des 13. Jh. in Gebrauch war und wohl zur Erschließung des damals sumpfigen Gebiets angelegt worden (4).

Bei beiden Grabungen konnten auch Flechtwerkzäune ergraben werden, in der "Alte Lateinschule" aus der Mitte des 13. Jh. und damit aus der Zeit der ersten Gebäude auf diesem Areal und in der "ehemalige Schmiedgasse" aus der Zeit vor 1430.

Bleiben noch die beiden Holzschächte. Zum einen in der "Alten Lateinschule". Dort als Kastenkloake aus der 1. Hälfte des 14. Jh. angesprochen und bis in die 2. Hälfte des Jahrhunderts in Gebrauch (5). Sowie in der "ehemalige Schmiedgasse" als Brunnenschacht. Um 1340 erbaut und im Zeitraum nach 1352 und vor 1430 verfüllt (6).


Pfostenbau, -haus

Wie hier, mit Lehm verstrichenen Flechtwerkwänden und mit Stroh gedeckt, kann man sich solche Gebäude vorstellen. Beim Pfostenbau wurden die senkrechten Hölzer (Pfosten) des Hauses in den anstehenden Boden eingegraben. Die dadurch erreicht Standfestigkeit der tragenden Elemente ermöglicht einen einfachen Weiterbau, auch mit geringen handwerklichen Fähigkeiten und ohne aufwändige Sicherungsmaßnahmen. Die Nachteile des Pfostenbaus, der seit dem Neolithikum (Jungsteinzeit) für weite Teile Europas nachgewiesen ist, ist die schnellen Fäulnisbildung an den im Erdreich eingegrabenen Pfosten. Die dadurch bedingte kurze Lebensdauer von etwa einer Generation der Gebäude führe zur Entwicklung des Ständerbaus (6).

Im Bild, ein Pfostenbau im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim noch während der Bauarbeiten 2003.


Ständerbau

Wie dieses Fachwerkhaus kann man sich auch die Häuser im mittelalterlichen Bayreuth vorstellen (7). Bei solchen Ständerbauten ruhen die senkrechten Holzstützen (Ständer) auf Punktfundamenten oder Fundamentkränzen. Das schützt das Holz vor aufsteigender Bodenfeuchtigkeit und erhöhte somit die Lebensdauer der Gebäude. Im Gegensatz zum Pfostenbau der die Querkräfte durch die in den Boden eingegrabenen Pfosten auffängt, müssen diese Kräfte hier von der Konstruktion selbst, durch den Einbau von horizontalen Hölzern (Riegel) und/oder schräg eingebauter Hölzer (Kopf- und Fußbänder) aufgefangen werden.

Im Bild, ein Ständerbau aus Eichstätt von 1322, wiederaufgebaut im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.


Gefach

Holzgeflecht mit Lehmbewurf Hier ein Blick in den Aufbau einer Lehmausfachung in einem Fachwerhaus. Im Lehmbewurf verborgen, die vertikalen Staken des Flechtwerks, sie sitzen fest in einer Nut im unteren Riegeln (horizontale Balken) und im oberen Riegel in Löchern, alternativ ebenfalls in einer Nut. Sie tragen das horizontale Geflecht, die sog. Fach- oder Flechtgerten.

Das Bild entstand im Juli 2008 im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.


Fenster (mit Bleiverglasung)

Verglaste Fenster hatten im 13./14. Jh. bereits vereinzelt Einzug in den bürgerlichen Hausbau gehalten. Die Bleiverglasung selbst, sitzt fest in einem Rahmen den man mit wenigen Handgriffen aus der Fensteröffnung herausnehmbarer kann. Solche herrausnehmbaren Rahmen sind aber auch mit Leinwand oder Tierblasen bespannt denkbar (8).

Beide Bilder: Fenster im Wohnstallhaus der Bachritterburg Kanzach, ein idealisierter Nachbau einer Niederadelsburg zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Im oberen Bild von aussen, im unteren Bild von innen.


Hohlziegeldach (Mönch-Nonne-Dach)

Diese Art der Dachdeckung mit Mönch und Nonne-Ziegeln findet sich ab dem 12 Jh. im städtischen Hausbau. Dabei liegen die (unteren) Nonnen-Ziegel in die Dachlatten eingehängt auf dem Dach. Der obenauf liegende Mönch-Ziegel liegt in einem Mörtelbett über den Fugen der Nonnen-Ziegel.
Im Bayreuther Fundgut finden sich solche Hohlziegel erst ab der Mitte des 14. Jahrhunderts. Nicht aber die zu dieser Zeit bereits gebräuchlichen Flachziegel (9).

Das Bild entstanden im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.


Spardach (Nonnendach)
Die Art der Spardeckung, das sog. Nonnendach, verzichtet auf den über den Nonnen-Ziegel liegenden Mönch-Ziegel. Die dabei naturgemäss offenen Fugen zwischen den Nonnen-Ziegeln werden bei dieser Art der Dachdeckung mit Mörtel verschlossen/verfugt. Durch den Wegfall der Mönch-Ziegel reduzieren sich nicht nur die Kosten für die Eindeckung, auch der Dachstuhl kann wegen dem nun geringeren Gewicht ebenfalls sparsamer ausgeführt sein.

Das Bild entstanden im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.


Holzschindeldach

Trotzdem das die hölzernen Schindeln solcher Dacheindeckungennur selten im Boden überdauern sind solche Holzschindeldächer indirekt über das Vorhandensein eiserner Schindelnägel im Fundguauch sicher archäologisch nachweisbar. So auch in Bayreuth bei der Grabung "Ehemalige Schmiedgasse", hier in die zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert und, regional, z.B. in Creussen, aus der 1. Hälfte des 15. Jh. bis in die Zeit um 1500 und auf der Burg Waldstein (Fichtelgebirge) aus dem 12./13.Jahrhundert (10).

Im Bild, das Dach eines rekonstruierten Wohnhauses des 12./13. Jh. im Geschichtspark Bärnau-Tachov


Flechtwerkzaun

Solche Zäune, wie hier im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, sind in einer Vielzahl hoch- und spätmittelalterlichen Bilddarstellungen (11) zu finden. Dort sind sie als Pferch Parzellen- oder Hofumfriedung oder auch als Nutzgarten- und Ackerflächenzaun zu sehen. Der Bayreuther Zaun aus der Mitte des 13. Jahrhunderts ("Alte Lateinschule"). besteht z.T. aus Birkenstaken und einem Geflecht aus Weide und Hainbuche. Auch der ganz ähnliche Zaun aus der ehemaligen Schmiedgasse (vor 1430) ist wohl aus Weide oder Hainbuche geflochten, sein Verwendungszweck scheint jedoch unklar (12).


Kastenbrunnen (in Rahmenkastentechnik)

So wie diesen Brunnen im Museumsdorf Düppel (1) darf man sich auch den Brunnen in der "Ehemaligen Schmiedgasse" vorstellen. Wobei hier in Bayreuth der oberirdische Teil, ebenso wie die eventuell vorhandene Windenaufhängung oder ein Brunnenhaus nicht mehr erhalten sind. Bei deren Rekonstruktion muss dann auf zeitgenössisches Bildmaterial zurückgegriffen werden, wobei ein Hinterhofbrunnen wohl kaum überdacht war (14).

Um solche Brunnen anzulegen wurde zunächst eine Baugrube, größer als der eigentliche Brunnen, bis unter den Grundwasserspiegel gegraben. In die Grube stellte man dann die vier mit mehreren Kränzen aus eingezapften Querriegeln gegeneinander versteiften Eckpfosten. Die Brunnenwände errichtete man dann aus aufeinander liegenden Bohlen die üblicherweise nicht mit der Unterkonstruktion verbunden (genagelt, gezapft, genutet) wurden, sondern lediglich an die Innenkonstruktion gestellt und vom Druck des nach und nach eingefüllten Erdreichs gehalten wurden (15). Erst beim oberirdischen Teil des Brunnens mussten dann die Brunnenwandbohlen, wie z.B. beim Düppeler Brunnen, auf die Eckpfosten genagelt werden.

Vergleichbare Holzschächte, in gleicher Bauart aber abweichender Größe, fanden sich bei archäologischen Grabungen in Nordbayern u.a. in Dietstätt als Brunnen aus den 8. Jahrhundert und in Nürnberg (Irrerstraße 19) als Latrine aus der Zeit um 1300 (16).


Kastenbrunnen (in Blockbautechnik)
Ein weiterer Typ eines mittelalterlichen Holzkastenbrunnens, wie er z. B. in Plauen für das 12./13. Jahrhundert (17) und in Nürnberg, über ein im späten 14./ Anfang 15. Jahrhundert verfülltes Exemplar (18), nachgewiesen ist. Hier sind die aufeinander stehenden Bohlen der Brunnenwand nahe der Ecken miteinander verkämmt (Blockbau) und bilden somit einen in sich stabilen Holzschacht der vollständig auf ein stützendes Innengerüst verzichten kann.
Angelegt wurde dieser Brunnentyp nahezu analog zum oben stehenden Kastenbrunnen in Rahmenkastentechnik. Zuerst wurde an geeigneter Stelle eine Baugrube, größer als der eigentliche Brunnen, bis unter den Grundwasserspiegel gegraben. In dieser Grube errichtete man nach und nach den Brunnenkasten während man sie gleichzeitig nach und nach, um den Brunnen herum, wieder verfüllte.

Der hier gezeigte Brunnen steht im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.


1) Müller 1996, S. 26ff.

2) Bischof 2010, S. 113.

3) Müller 1996, S. 17

4) Müller 1996, S. 21ff.

5) Bischof 2010, S. 36

6) Sage 2002, S. 115

7) Erbaut 1322. Der Fenstererker stammt aus einem Umbau aus der Zeit um 1460

8) Felgenhauer-Schmiedt 1995, S. 123

9) Bischof 2010, S. 79f.

10) Bischof 2010, S. 116

11) Für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts z.B. in: Luttrell Psalter, ca. 1325-25, fol. 163v und: Heidelberger Sachsenspiegel, Anfang 14. Jh., fol. 8r

12) Bischof 2010, 2. 26

13) Wiederaufgebauter Brunnen an Stelle des mittelalterlichen Brunnen 354.

Natürlich ist auch dieser Brunnen üblicherweise nach oben offen. Aber z.Z. ist er aber mit losen Brettern abgedeckt und es fehlen einige Bohlen der Seitenwand.

14) Bischof 2010, S.31f.

15) Bischof 2010, S. 29f.

16) Bischof 2010, S. 38 

17) Ebd., S. 39

18) Pfahlbusch 2011, S. 51

Bild - Kastenbrunnen (in Rahmenkastentechnik): © Andre Henning

Bild - Pfostenbau/-haus: © Holger Kämpf